Berlin, den 29. April 2022
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir haben in dieser Woche im Deutschen Bundestag wieder wichtige Debatten geführt undEntscheidungen getroffen.
Besonders herauszuheben ist dabei die Debatte zur weiteren umfassenden Unterstützung für die Ukraine, die wir am Donnerstagmorgen hatten und in dessen Rahmen ich eine Rede gehalten habe.
Wie seit Kriegsbeginn verurteilen wir den brutalen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine aufs Schärfste. Russland bricht damit internationales Völkerrecht, verletzt unsere europäischen Werte und stellt sich und sein Land moralisch ins Abseits.
Die Bundesregierung unterstützt die Ukraine seit Kriegsausbruch: finanziell, humanitär und auch militärisch.
Zunächst mit Panzerabwehrraketen und Munition. Mittlerweile auch mit schweren Geschützen. Zudem ermöglichen wir es unseren Verbündeten im Namen des Ringtausches, schwere Waffen zu liefern. Ohne dabei jedoch die Bündnisfähigkeit der NATO zu schwächen, das ist insbesondere für unsere östlichen Nachbarn existenziell. Auch wenn es zuletzt medial und auch von dem einen oder anderen Politiker Aufgeregtheiten hinsichtlich der Frage der Waffenlieferungen gab, die Linie des Kanzlers und der Koalition dazu ist klar:
Wir liefern, was wir verfügbar haben, was wir abgeben können, ohne die Sicherheit und die Bündniszusagen Deutschlands zu gefährden und was der Ukraine in ihrer schwierigen Situation unmittelbar und nachhaltig hilft.
Dabei entscheiden wir über die ersten beiden Punkte, welche Waffen der Ukraine schnell und unmittelbar helfen, wird uns von dort mitgeteilt.
Oft wird in der medialen Debatte auch eine nach meiner Einschätzung wenig hilfreiche Unterscheidung zwischen schwerem und leichtem Gerät, zwischen defensiven und offensiven Waffen, gemacht. Dazu kann ich klarstellen: Es gibt keine Vorbehalte beim Material: Auf Panzer, Artillerie und Flugabwehrgeschütze haben wir uns diese Woche mit unseren Alliierten in Ramstein geeinigt und dasweitere Vorgehen weiter abgestimmt. Wir liefern den Gepard-Flugabwehrpanzer und ermöglichen die Ausbildung für Panzerhaubitzen in Idar-Oberstein.
Zusammenfassend lässt sich sagen: die Ukraine bekommt von uns das, was sie braucht. Wir leisten uns in dieser existenziellen Frage auch keine Alleingänge, sondern handeln eng abgestimmt mit unseren Partnern in der EU und der NATO. Der Kanzler handelt in dieser brandgefährlichen Lage besonnen und Besonnenheit ist dringend nötig.
Dass Russland sein Ziel, den Westen, die NATO zu schwächen, nicht erreicht hat, ganz im Gegenteil, beweisen die Beitrittsbekundungen Finnlands und Schwedens. Wir stehen als Wertegemeinschaft zusammen gegen die Aggression des russischen Diktators und diese Gemeinschaft wird größer und stärker, Putin hat sich nicht nur militärisch, sondern auch politisch völlig verkalkuliert.
Aber Putins Krieg hat sein Land nicht nur politisch und moralisch auf Jahrzehnte diskreditiert, es zeichnet sich für Russland auch ein dramatischer wirtschaftlicher Niedergang ab.
Ich habe in meiner Rede im Deutschen Bundestag aber auch klargemacht:
Waffenlieferungen sind unabdingbar zur Selbstverteidigung für die Ukraine, aber den Weg zu Sicherheit und Frieden kann niemals ausschließlich militärisch erreicht werden. Wir als Sozialdemokraten – und mit uns die gesamte Koalition – sehen uns in der Verantwortung, alle Wege, die zum Frieden führen können, zu begleiten und zu unterstützen. Daher stellt sich für mich die Frage, die ich auch schon im Interview mit der Rheinzeitung vom 16. April 2022 gestellt habe, weiter: Was ist das politische Ziel unserer Unterstützung? Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen, das ist klar. Aber wie kann er enden? Wo liegen mögliche Chancen eines Waffenstillstandes? Das nicht mitzudenken, wäre verantwortungslos.
Da gleitet mir die Diskussion manchmal zu sehr ins Martialische ab, bis hin zu der Vorstellung, der Westen solle Russland militärisch in der Ukraine besiegen und zur Kapitulation bringen. Vor dieser Strategie kann man nur warnen, sie ist mit erheblichen Risiken behaftet. Denn wir wissen nicht, wie die Atommacht Russland reagieren wird, wenn sich eine solche Niederlage abzeichnet.
Die Position der SPD-Bundestagsfraktion ist dabei klar: Wir wollen, im Einklang mit den Vereinten Nationen und der Mehrheit der Weltgemeinschaft, einen sofortigen Waffenstillstand, umgehende humanitäre Hilfe für die Menschen in der Ukraine und einen Friedensschluss, der die territoriale Integrität der Ukraine respektiert. Dieser Krieg kann eben nicht mit Waffenlieferungen allein beendet werden. Wir brauchen eine politische Lösung, auch wenn die Vorstellung, dass die Ukraine weiter mit dem Kriegsverbrecher Putin verhandeln muss, um ihre Souveränität und territoriale Unverletzlichkeit zu sichern, furchtbar ist. Leider wird es anders nicht gehen und deswegen ist es ein großes und richtiges Signal, dass Deutschland bereit ist, die notwendige militärische, finanzielle und humanitäre Unterstützung weiter zu leisten und dazu beizutragen, dauerhaft die Sicherheit der Ukraine mit zu garantieren.
Um die Sicherheit unseres Landes zu stärken und unseren NATO-Bündnisverpflichtungen nachzukommen, hat Olaf Scholz am 24. Februar in seiner beeindruckenden Rede eine Zeitenwende angekündigt und das „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Wir sorgen damit dafür, dass dringend benötigte Investitionen in die bestmögliche Ausrüstung und Ausstattung unserer Bundeswehr in den nächsten Jahren vorgenommen werden können. In dieser Woche gab es die 1. Lesung zu der dafür notwendigen Grundgesetzänderung (Art. 87 a GG) im Deutschen Bundestag. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam mit den Stimmen der Koalition und der CDU/CSU dieses Sondervermögen beschließen werden und so die benötigten Investitionen zur Sicherung von Frieden und Sicherheit auf den Weg bringen können.
Trotz aller sicherheitspolitischer Debatten, die notwendig sind, verliert die Ampel-Koalition auch die Sozialpolitik nicht aus dem Blick. In dieser Woche ging ein zentrales Versprechen von uns Sozialdemokraten, der gesetzliche Mindestlohn von 12 Euro, in die parlamentarische Debatte. Für mich und die SPD-Bundestagsfraktion ist klar, dass Arbeit sicher vor Armut schützen muss. Durch die Erhöhung des Mindestlohns erhalten Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ab Oktober 2022 deutlich mehr Geld. Das kommt insbesondere Beschäftigten in Branchen mit geringer Tarifbindung wie der Floristik, Körperpflege, Gastronomie und dem Einzelhandel und da vor allem auch Frauen zu Gute.
Eine weitere sozialpolitische Maßnahme, die in dieser Woche parlamentarisch beraten wurde, zielt auf mehr soziale Teilhabe für Kinder und für Menschen in der Grundsicherung. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Bis die Details dieser sehr umfassenden Reform beraten und beschlossen sein werden, werden Kinder und Jugendliche, deren Familien Anspruch auf Grundsicherung oder Sozialhilfe haben, ab Juli 2022 einen Kindersofortzuschlag von 20 Euro pro Monat erhalten.
Damit verbessern wir zielgenau die Lebensbedingungen und die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, die aus finanziell schwachen Haushalten kommen und von der Corona- Pandemie besonders stark getroffen wurden. Eine wichtige Unterstützung.
Auch Erwachsenen mit wenig Geld greifen wir auf Grund der steigenden Energie- und
Lebensmittelpreise mit einer erneuten Einmalzahlung von 200 Euro unter die Arme. Auch hiervon profitieren Menschen, die auf Grundsicherung oder Sozialhilfe angewiesen sind. Kritik gab es bei beiden Zahlungen hinsichtlich der Höhe. Ich kann hier nichts versprechen, aber wir wollen uns die Zahlbeträge angesichts der Kostensteigerungen in der parlamentarischen Beratung noch einmal angucken und ggf. anpassen.
Gerade in diesem Zusammenhang werde ich oft darauf angesprochen, dass auch Menschen, die keine Grundsicherung oder Sozialhilfe beziehen, sehr betroffen sind von den Kostensteigerungen bei der Energie, bei Lebensmitteln und in vielen weiteren Lebensbereichen. Ich sehe das Problem und verstehe die Sorgen, die sich viele dazu machen. Deshalb begrüße ich sehr, dass das Bundeskabinett daher in dieser Woche ein milliardenschweres Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger beschlossen hat. Die Energiesteuer auf Kraftstoffe wird befristet für drei Monate gesenkt und alle einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen bekommen zum Ausgleich der hohen Energiekosten eine Pauschale von einmalig 300 Euro brutto. Das Kindergeld wird einmalig um 100 Euro pro Kind angehoben. Ab Juni wird es außerdem bundesweit für drei Monate ein 9-Euro-Monatsticket im Nah- und Regionalverkehr geben. Auch diese Beschlüsse der Bundesregierung gehen noch vor der Sommerpause ins parlamentarische Verfahren. Auch hier höre ich von vielen Seiten Forderungen, man müsse noch mehr und länger zahlen. Ich sehe die Sorgen angesichts der steigenden Preise, gebe jedoch auch zu bedenken, dass wir schon mit den jetzigen Beschlüssen eine Nettokreditaufnahme von knapp 140 Milliarden Euro beschließen werden. Bei allen notwendigen Unterstützungsmaßnahmen und finanziellen Notwendigkeiten, die die Herausforderungen der Zeit mit sich bringen, müssen wir im Sinne unserer nachkommenden Generationen auch darauf achten, dass wir die Neuverschuldung nichts ins Uferlose wachsen lassen.