Berlin, den 19. September 2024
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich melde mich heute mit dem ersten Bericht aus Berlin nach der Sommerpause und hoffe, dass Ihr alle eine erholsame Sommerzeit hattet. Die politischen Zeiten sind nicht weniger turbulent geworden, aber das war ja auch nicht zu erwarten.
Ich will Euch heute zu zwei Themen berichten: den Maßnahmen zur Begrenzung der illegalen Migration und der geplanten Stationierung von Mittelstreckenraketen in Deutschland. Zwei Themen, die die Menschen, wie ich aus vielen Gesprächen weiß, sehr bewegen.
Nach dem islamistisch motivierten Anschlag in Solingen hat die Bundesregierung ein Sicherheitspaket auf den Weg gebracht, das ich für richtig halte. Die Gefährdungslage durch islamistischen Terrorismus ist nach den vorliegenden Erkenntnissen hoch. Mit dem Sicherheitspaket zieht die Regierungskoalition die nötigen Konsequenzen.
Das betrifft insbesondere drei Bereiche: das Waffenrecht, die Extremismus- und Terrorismusbekämpfung sowie das Aufenthaltsrecht. Innerhalb einer Woche wurde das Sicherheitspaket formuliert und nun in den Bundestag eingebracht. Diese Geschwindigkeit unterstreicht unseren gemeinsamen Willen, Deutschland wieder sicherer zu machen. Vorgesehen sind Änderungen im Bundesverfassungsschutzgesetz, im Asylgesetz, im Aufenthaltsgesetz, im Asylbewerberleistungsgesetz sowie beim Waffenrecht im Waffengesetz.
Im Einzelnen:
Strengeres Waffenrecht und Messerverbot: Damit Extremisten und Terroristen nicht in den Besitz von Waffen kommen und leichter entwaffnet werden können, werden die gesetzlichen Regelungen erneut verschärft. Künftig werden weitere Behörden – wie etwa die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt (BKA) und das Zollkriminalamt – abgefragt, wenn es um die Erteilung oder den Entzug einer waffenrechtlichen Erlaubnis geht. Eingeführt wird zudem ein absolutes Messerverbot bei Volksfesten, Sportveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Märkten und anderen öffentlichen Veranstaltungen. Auch in Bussen und Bahnen gilt künftig ein Messerverbot. Die Bundesländer werden ermächtigt, Messerverbote an Bahnhöfen zu verhängen. Außerdem wird der Umgang mit gefährlichen Springmessern generell verboten.
Extremismus bekämpfen: Bei der Terrorismusbekämpfung brauchen die Behörden polizeiliche Befugnisse, die modern und sachgerecht sind und in die digitale Welt passen. Deshalb soll das BKA bei der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus und beim Schutz von Verfassungsorganen mit zeitgemäßen Befugnissen ausgestattet werden, ebenso die Bundespolizei, u.a. beim Grenzschutz.
Dazu gehört etwa die Befugnis, biometrische Daten wie z.B. Lichtbilder mittels automatisierter technischer Verfahren mit Internetdaten (z.B. soziale Medien) abzugleichen. So sollen mutmaßliche Terroristen und Tatverdächtige identifiziert, lokalisiert und Tat-Täter-Zusammenhänge erkannt werden. Auch soll die automatisierte Datenanalyse für BKA und Bundespolizei erleichtert werden. Damit können die Behörden dann bereits im polizeilichen Informationssystem oder Informationsverbund vorhandene Informationen besser, schneller und effizienter auswerten. In Zeiten von Digitalisierung und wachsender Datenmenge ist dies erforderlich. Der Bundesverfassungsschutz erhält für Finanzermittlungen im Bereich Terrorismus weitere Befugnisse. All diese Maßnahmen sind lange blockiert worden – jetzt geht es.
Zugleich gibt es jetzt – zunächst sechs Monate lang – dauerhafte Einreisekontrollen an allen deutschen Grenzen.
Bekämpfung von irregulärer Migration: Das Asylrecht sichert Menschen, die Schutz brauchen, den auch zu. Damit wir das können, müssen wir jedoch auch wissen, wer zu uns kommt und dafür sorgen, dass der Schutz nicht ungerechtfertigt beansprucht wird.
Zukünftig soll die Schutzanerkennung verweigert oder aberkannt werden, wenn Straftaten mit einem antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, geschlechtsspezifischen, gegen die sexuelle Orientierung gerichteten oder sonstigen menschenverachtenden Beweggrund begangen wurden. Ausweisungen sollen erleichtert werden, wenn bestimmte Straftaten unter Verwendung einer Waffe oder eines sonstigen gefährlichen Werkzeugs erfolgten. Diese Verschärfung finde ich richtig, weil sie deutlich macht, dass wir entschieden gegen kriminelle Geflüchtete vorgehen werden.
Künftig soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auch biometrische Daten nutzen, um die Identität von Schutzsuchenden festzustellen. Schutzsuchende, für die ein anderer europäischer Staat zuständig ist, sollen künftig keine Sozialleistungen mehr erhalten, wenn der zuständige Mitgliedsstaat der Rückübernahme zugestimmt hat (was allerdings oft nicht passieren wird). Eine „Dublin-Task Force von Bund und Ländern“ wird dafür Sorge tragen, dass mehr Schutzsuchende, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, in den zuständigen Staat überstellt werden können.
Ihr wisst, dass ich in der Migrationsfrage schon länger einen deutlicheren Kurs vertrete, im Sinne aller Menschen, die hier leben, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Ihnen allen gilt das Schutzversprechen des Staates und ich bin froh, dass wir mit den zuvor erläuterten Regelungen dazu beitragen werden, die Sicherheit im Land wieder zu erhöhen.
Aber ich rate auch dazu, „die Kirche im Dorf zu lassen“: Ich habe hohe Zweifel, wie die Forderungen aus CDU und CSU, alle Migranten an unseren Grenzen schlichtweg zurückzuweisen, rechtssicher und praktisch umgesetzt werden können. Wir werden ja wohl keine Situation wollen, in der beispielsweise deutsche Grenzpolizisten Menschen mit Gewalt nach Österreich zurückschicken – und die dann von dort entweder wieder nach Deutschland geschickt oder weiter nach Ungarn zurück verfrachtet werden. Ich denke, dass es richtig wäre, unserem Vorschlag zu folgen und die Menschen- auch unter Inhaftnahme bis zur Klärung der Sachlage – in Deutschland kurzzeitig aufzunehmen und die Dinge zu klären. Schon das ist nicht einfach und gerichtsfest umsetzbar. Insofern ist es richtig, den Vorschlägen aus der Union entgegenzutreten.
Zweites Thema:
Mit Blick auf unsere äußere Sicherheit möchte ich Euch noch berichten von meiner Reise, die mich mit dem Sicherheits- und Verteidigungsausschuss der NATO-Parlamentarierversammlung in die US-Bundesstaaten Alaska und Washington geführt hat, um mich über neue technologische Entwicklungen bei der Antwort auf hypersonische Überschall-Bedrohungen von Langstreckenwaffen zu informieren. Die von uns besuchten Einrichtungen sind teilweise hoch geheim, vor allem die amerikanischen Raketenabwehr-Stellungen gegen Angriffe russischer Atom-Interkontinentalraketen. Über die ganzen USA verteilt gibt es Radare und Rechenzentren und in Kalifornien und Alaska Raketenabwehr-Stellungen, die die USA gegenüber einem russischen Atomangriff verteidigen sollen. Es ist das wahrscheinlich komplexeste Waffensystem der Welt. Es war beeindruckend, aber auch bedrückend, die Siloanlagen für die Raketen und die Abfangraketen erläutert zu bekommen. Die Abwehr-Raketen tragen selbst übrigens keine Waffen oder Sprengstoffe: Bei den hohen Geschwindigkeiten im Weltraum würde es potentiell reichen, die russische Atomraketen mit einem Metallstück zu treffen, um sie zu zerstören.
Der Abschluss meiner militärischen Gespräche in den USA war ein Termin bei der „1st Multi Domain Task Force“ (MDTF) in Fort Lewis, Washington.
Das ist eine neue Militäreinheit, die modernste elektrische Kampfmittel, Raketen und Geschosse testet und aufbaut, um einen Gegner großflächig am Angriff zu hindern und abzuschrecken. Für uns ist das wichtig: Denn während die 1. MDTF in Fort Lewis und die 3. MDTF in Hawaii den Pazifik von Japan bis Australien absichern sollen, wird die 2. MDTF ab 2026 von Mainz-Kastel aus das für Europa tun. Dazu sollen genau die Raketen, Marschflugkörper und hypersonischen-Überschallwaffen in Deutschland stationiert werden, die ich mir in Fort Lewis zeigen und erklären lassen konnte. Das wird noch eine schwierige Diskussion, dessen bin ich mir sehr bewusst. Denn es gibt bei vielen Menschen Ängste und Sorgen hinsichtlich dieser Stationierungen. Deswegen war es wichtig, dass ich mir dazu selbst ein Bild machen konnte. Wenn ihr in Euren Ortsvereinen dazu Gesprächsbedarf seht, meldet Euch gern bei mir, dann kriegen wir dafür ein geeignetes Format hin.
Ich bin dem Sicherheitsberater von Bundeskanzler Olaf Scholz, Jens Plötner, dankbar, dass er zu dem Thema in der vergangenen Sitzungswoche das Gespräch mit der SPD-Fraktion gesucht hat. Im kleinen Kreis der Verteidigungs- und Sicherheitspolitiker haben wir intensiv über die Stationierung der Raketen auf deutschem Boden diskutiert. Wir wollen perspektivisch gemeinsam mit Frankreich und anderen europäischen Staaten selber in der Lage sein, Russland vor Angriffen abzuschrecken und deshalb eigene hypersonische, weitreichende Raketen entwickeln. Der Status heute ist, dass Russland bereits jetzt landgestützte Mittelstreckensysteme (sowohl konventionell als auch nuklear bestückbar) entwickelt und stationiert hat, die NATO jedoch nicht.
Unter anderem bedroht Russland uns aus der russischen Enklave Kaliningrad, dem früheren Königsberg, rund 500 Kilometer von Berlin entfernt. Dort sind auch nuklearfähige Iskander-Raketen stationiert, die auf Europa zielen. Darüber hinaus stellt auch die bereits in der Ukraine eingesetzte luftgestützte Hyperschallwaffe Kinzhal eine ernsthafte Bedrohung dar. Insgesamt verfügt Russland über ein großes Arsenal an Nuklearwaffen für diverse Trägersysteme. Wie massiv und rücksichtslos Russland bereit ist, seine Raketen und Marschflugkörper nicht nur gegen militärische, sondern auch zivile Ziele einzusetzen, zeigt die russische Kriegsführung in der Ukraine. Dagegen müssen und werden wir uns wappnen.
Für mich ist klar: Die Ankündigung der Stationierung der konventionellen bodengebundenen US-Systeme ist ein Beitrag zu der notwendigen Erhöhung der eigenen Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit. Sie sind ein wichtiger Zwischenschritt, bis wir eigene europäische Fähigkeiten in diesem Bereich aufgebaut haben. Aber darüber müssen wir noch viel mit unseren Bürgerinnen und Bürgern sprechen. Denn gerade aus den reihen der russland-Unterstützer von AfD und BSW wird es gezielte Verunsicherungen in dieser Frage geben.
Herzliche Grüße, bis zum nächsten Bericht!
Euer Joe
Dr. Joe Weingarten, MdB