MdB Dr. Joe Weingarten: Bericht aus dem Deutschen Bundestag

Berlin, den 8. Mai 2020

Liebe Genossinnen und Genossen,

auch die aktuelle Sitzungswoche in Berlin war von Corona-Themen dominiert, aber mittlerweile treten auch andere Themen wieder in den Vordergrund. Darüber will ich heute berichten.

Zu den Corona-bedingten Einschränkungen lege ich Euch die Ergebnisse der Absprachen von Bund und Ländern vom 6. Mai 2020 bei, damit Ihr das in Ruhe nachlesen könnt. Das Hauptanliegen der Corona-Strategie, die Abflachung der Kurve der Neuinfektionen, ist uns gelungen. Deswegen war es jetzt richtig, erste Schritte der Öffnung zu gehen, auch in der für uns so wichtigen Gastronomie und im Tourismus. Aber die Probleme sind noch keinesfalls gelöst, es kann Rückschläge geben. Damit rechne ich aber eher in den Großstädten, in unseren ländlichen Regionen können wir, gerade was die Disziplin in der Einhaltung der Regeln in der Öffentlichkeit, in Geschäften und Gastronomie angeht, optimistisch sein. Ein großes Dankeschön deshalb an alle von Euch, die in Geschäften und Gaststätten auf den Tag der Öffnung hinarbeiten und mit viel Umsicht und Disziplin das alles vorbereiten!

Sorgen machen mir noch die Öffnungsfragen in Schulen und Kitas. Da ich kein Fachmann in diesen Fragen, halte ich mich mit Äußerungen zur weiteren Schulöffnung zurück. Die Krise hat uns aber gezeigt, wie viele Probleme wir noch bei der Digitalisierung des Unterrichts haben. Da muss noch viel mehr von Bund und Land in die Infrastruktur, in die Geräte und in die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer investiert werden! Aber auch hier habe ich viele Beispiele für hohes Engagement und Kreativität bei der Vorbereitung der Öffnungen gesehen, gerade im Grundschulbereich. Danke deshalb auch an alle, die dabei mitgewirkt haben!

Diese Woche haben wir in der Fraktion wiederum über die Prämie für die Pflegekräfte in Pflegeeinrichtungen oder dem ambulanten Dienst gesprochen, die im Juli ausgezahlt werden soll. Sie wird kommen und sie wird nicht nur Pflegekräfte umfassen, sondern auch Unterstützungskräfte. Das war uns wichtig. Mir – und vielen in der SPD-Bundestagsfraktion – ist es aber nicht verständlich, warum diese Prämie nur im Bereich der Pflegeeinrichtungen, nicht aber für die – genauso belasteten – Kräfte in den Krankenhäusern ausbezahlt wird. Dafür setzte ich mich weiterhin ein und ich denke, die Diskussion ist noch nicht am Ende.

Zwei Themen haben die SPD-Bundestagsfraktion in dieser Woche intern sehr beschäftigt und dabei ist wieder einmal völlig unnötig interner Krach ausgebrochen: die Frage der Wehrbeauftragten und der Ersatz der Bundeswehr-Tornados durch amerikanische FA/18 Bomber.

Dabei ging es in der Fraktion hoch her. Zusammengefasst: Hans-Peter Bartels war in der Bundeswehr hochgeschätzt, hat sich aber von der SPD ziemlich isoliert (auch deswegen wurde er von Union und FDP in der letzten Woche so gelobt) und hatte keine Mehrheit mehr. Johannes Kahrs, gewiefter Haushaltspolitiker und Oberst der Reserve, hätte es gerne gemacht, wurde aber von der Union – und Teilen unserer Fraktion – abgelehnt.  Dann hat Rolf Mützenich für diese Position Eva Högl vorgeschlagen, die zwar keine Bundeswehrerfahrung hat, aber eine ausgewiesene Personalrechtlerin ist. Und Personalrechtsfragen spielen für den oder die Wehrbeauftragte eine ganz zentrale Rolle. Die Wehrbeauftragte ist keine Militärpolitikerin oder Neben-Verteidigungsministerin – auch wenn Hans-Peter Bartels gerne mit dieser Rolle kokettiert hat.

Der ganze Ablauf der Personalentscheidung – einsamer Beschluss des Geschäftsführenden Fraktionsvorstandes, alle anderen Abgeordneten erfuhren es aus der Presse – war rundheraus beschissen. Die Wahl von Eva Högl war im Ergebnis in Ordnung, ich denke, sie wird das gut machen. Aber die Begleiterscheinungen, die Verärgerung der Verteidigungspolitiker, die Vertrauensverluste bei der Bundeswehr und die Mandatsaufgabe unseres wichtigsten Haushaltspolitikers, Johannes Kahrs, waren unnötig und dumm. Ich selbst habe Eva Högl im Ergebnis unterstützt (hätte auch Hans-Peter Bartels oder Johannes Kars für tragbar gehalten), weil ich trotz meiner Verärgerung über den Ablauf wegen dieser Personalie nicht unserem Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich in den Rücken fallen wollte. Das sah der weit überwiegende Teil unserer Fraktion genauso.

Nächstes Aufregerthema waren die für die in Büchel (wahrscheinlich) liegenden US-Atombomben geplanten Kampfflugzeuge. Annegret Kramp-Karrenbauer hat uns da zur Unzeit eine Diskussion aufgedrückt und wir haben sie bereitwillig aufgenommen. Sachlich ist es so, dass die über vierzig Jahre alten Tornados der Bundeswehr Mitte/Ende der 20er-Jahre einen Nachfolger brauchen, es gibt heute schon kaum noch Ersatzteile, die Einsatzbereitschaft ist gefährdet. Jetzt ist es wohl zwischen uns allen unstrittig, dass wir ein atomwaffenfreies Deutschland und Europa wollen, am besten eine atomwaffenfreie Welt. Aber ich stimme mit Rolf Mützenich und Norbert Walter-Borjans nicht darin überein, dass es ein vernünftiger Schritt wäre, hier einseitig abzurüsten. China, Russland, Pakistan, der Iran und Nordkorea rüsten in diesem Punkt munter weiter und wir rüsten einseitig ab – das ist für mich keine Lösung. Sondern ich denke, dass wir den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland als NATO-Faustpfand in Abrüstungsverhandlungen einbringen müssen, um auch andere zur Verkleinerung oder zur Abschaffung ihres Arsenals zu bewegen. Wenn wir hier anders vorgehen, verlegen die USA diese Waffen nach Polen, die Bedrohung ist dann nahezu die gleiche, aber wir haben bei den Verhandlungen nichts mehr mitzureden.

Jedenfalls müssen wir die Diskussion dazu anders führen, als in der letzten Woche: Nicht immer in einer medialen Halböffentlichkeit, sondern erst intern Positionen ausdiskutieren und dann nach außen vertreten. Ich könnte wahnsinnig darüber werden, wie dieser eiserne Grundsatz der Willensbildung in einer Partei immer wieder – auch von der Parteiführung – ignoriert wird.

Ein weiteres Thema, das die Diskussion langsam beherrscht ist das kommende Konjunkturpaket, insbesondere die Frage der Förderung der Automobilindustrie. Ich bin für eine solche Förderung, gerade auch angesichts der vielen Zuliefer- und Metallbetriebe in unserer Region, deren Sorgen um die Zukunft ich kenne. Aber eine reine Absatzprämie, nach dem Motto „Hauptsache Autos verkauft“ halte ich für falsch. Wenn es staatliche Hilfen gibt, dann müssen sie den Strukturwandel in der Autoindustrie weiter unterstützen, müssen Energieeffizienz und -einsparung ermöglichen. Anders als die Grünen halte ich aber eine ausschließliche Förderung von Elektromobilen für falsch. Für mich gehören auch modernste Dieselmotoren (als Übergangstechnologie) und Wasserstoffantriebe in den Blick. Gerade mit Wasserstofffragen und Bio-Fuels haben wir uns in der Arbeitsgruppe Wirtschaft der SPD-Bundestagsfraktion in dieser Woche intensiv beschäftigt. Hier liegen im Straßenverkehr, in der Industrie und im Flugzeugbereich große Potentiale. Diese Diskussion wird in den nächsten Wochen weitergehen, ich werde dazu berichten.

Bis dann: Herzliche Grüße und bleibt gesund!

Dr. Joe Weingarten MdB

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