Berlin, den 18. März 2022
Liebe Genossinnen und Genossen,
der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat den Deutschen Bundestag auch in dieser Woche intensiv beschäftigt. Im Verteidigungsausschuss haben wir nahezu kontinuierlich über die militärische Lage in der Ukraine und die Reaktionsmöglichkeiten des Westens darauf gesprochen. Vieles davon ist geheim, aber ich kann Euch versichern: Es wird in hohem Maß geholfen, auch wenn es dazu oftmals keine öffentlichen Nahrichten gibt.
Ich bin froh, dass wir den wirtschaftlichen und politischen Druck in großer Einigkeit mit unseren internationalen Partnern aufgebaut haben. Die russische Wirtschaft steht mit dem Rücken an der Wand, der Kriegsverbrecher Putin ist international geächtet und auch in Russland gibt es Hoffnung, dass sich eine schlagkräftige Opposition formiert. Diesen mutigen Menschen müssen wir zur Seite stehen, sie und auch die bei uns lebenden Menschen mit russischen Wurzeln dürfen nicht verantwortlich gemacht werden für die Gräueltaten des russischen Präsidenten.
Besonders bewegend war in dieser Woche die Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi, der im Deutschen Bundestag live aus Kiew zugeschaltet war. Es ist beeindruckend wie Selenskyi sich als politischer Anführer in dieser Krise erweist, die territoriale Integrität der Ukraine verteidigt, Vorbild für die kämpfenden Ukrainerinnen und Ukrainer ist und – das ist nicht minder wichtig – betont, dass es eine militärische Lösung des Konflikts am Ende nicht geben wird, sondern er bereit ist, mit Putin zu verhandeln und dabei auch schmerzliche Kompromisse einzugehen.
Es ist, wie ich finde, eine kluge Strategie, die wir aus Deutschland gemeinsam mit unseren europäischen Partnern auch unterstützen, sich mit aller Macht militärisch gegen den russischen Aggressor zu wehren und sich nicht kampflos dem Schicksal als russischer Vasallenstaat zu ergeben.
Es gibt aber auch Grenzen unserer Unterstützung. Ich bin strikt gegen den Einsatz von NATO-Truppen auf ukrainischem Boden oder im ukrainischen Luftraum. Das würde auf jeden Fall russische Gegenschläge zur Folge haben und uns an den Rand eines dritten Weltkrieges bringen. Das ist nicht unser Weg.
Aber es gibt auch noch andere Probleme, die wir in dieser Woche intensiv behandelt haben. Die Corona-Pandemie entwickelt sich mit Rekord-Infektionszahlen unverändert gefährlich und weist einen anhaltenden Aufwärtstrend auf. Deutschland verzeichnet in dieser Woche erstmals die höchsten Infektionszahlen innerhalb Europas. Diese Infektionslage macht es für mich dringend notwendig, Infektionsschutzmaßnahmen weiterzuführen. Ohne gesetzgeberisches Handeln wären die bisherigen Infektionsschutzmaßnahmen zum 20.03.2022 automatisch ausgelaufen. Ich persönlich wäre ausdrücklich dafür gewesen, die jetzt möglichen Maßnahmen – wie Kontaktbeschränkungen – zu verlängern, um die unser entschlossenes Handeln in der Pandemiebekämpfung weiter möglich machen. Über ein solches Vorgehen konnte jedoch mit der FDP kein Einvernehmen erzielt werden. Das muss man in einer Koalition auch akzeptieren.
Die Fachleute habe ich auf meiner Seite: Der Expertinnen- und Expertenrat der Bundesregierung hat mit Nachdruck für gesetzliche Rahmenbedingungen plädiert, die auch weiterhin sofort verfügbare Instrumente des Infektionsschutzes bereitstellen, um in den Ländern unverzüglich Infektionsschutzmaßnahmen umsetzen zu können. Die Sachverständigen der Öffentlichen Anhörung vom 14.03.2022 zum vorliegenden Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag haben davor gewarnt, die aktuelle Dynamik des Pandemiegeschehens auf die leichte Schulter zu nehmen. Die deutliche Mehrzahl hat sich dafür ausgesprochen, die bestehenden Möglichkeiten für die Länder, Infektionsschutzmaßnahmen zu ergreifen, nicht einzuschränken. Insbesondere wurde auf die Bedeutung der Maskenpflicht (z.B. in Innenräumen, wie dem Einzelhandel oder Schulen) und von Hygienekonzepten verwiesen. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hat das Maske-Tragen eine hohe Wirksamkeit und stellt nur einen geringen Eingriff in die individuelle Freiheit dar.
Diesen Erkenntnissen hätte die SPD-Bundestagsfraktion und auch ich persönlich gerne im Infektionsschutzgesetz umgesetzt. Innerhalb der Koalition konnten wir uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf lediglich auf ein Mindestmaß an Basismaßnahmen zum Schutz vulnerabler Gruppen (z.B. in Pflegeeinrichtungen oder in Arztpraxen) verständigen. Darüber hinaus konnten wir jedoch sicherstellen, dass den Ländern mit der Hot-Spot-Regelung weiterhin ermöglicht wird, zumindest dort entschlossen handeln zu können.
Aber wir sind, auch wenn es keine bundeseinheitlichen Regelungen gibt, weiter handlungsfähig: So kann jeder Landtag bei Gefahr einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage strengere Maßnahmen wie weitergehende Maskenpflichten, ein Abstandsgebot von mindestens 1,5 Metern im öffentlichen Raum sowie 3G- und 2G-Zugangsbeschränkungen anordnen.
Aus diesem Grund habe ich dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf zugestimmt und gehe davon aus, dass die Länder bei Bedarf von den ihnen eingeräumten Möglichkeiten Gebrauch machen. Sollte sich die Infektionslage im Herbst weiter verschlimmern, setze ich mich dafür ein und vertraue darauf, dass der Deutsche Bundestag schnell über eine erneute Novelle des Infektionsschutzgesetzes beraten wird und auch der Koalitionspartner, der jetzt zu keinen weitreichenderen Schutzmaßnahmen bereit war, dies dann mitträgt.
In diesem Zusammenhang haben wir am Donnerstag dieser Woche über konkrete Vorschläge zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Corona-Virus beraten.
Die Vorschläge reichen von einer Impfpflicht ab 18 Jahren, einer ab 50 Jahren bis hin zur Ablehnung einer Impfpflicht und einem sog. Vorsorgebeschluss, falls die Corona-Lage in nächsten Herbst/Winter außer Kontrolle gerät.
Meine Position dazu hat sich nicht geändert: Ich halte die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren für unverändert richtig und bin Mitunterstützer des entsprechenden Gesetzentwurfes. Warum, will ich noch mal kurz begründen: Es haben sich nach wie vor freiwillig zu wenige Menschen impfen lassen, um mit Blick auf den nächsten Herbst und Winter eine Überlastung des Gesundheitssystems und Einschränkungen des öffentlichen Lebens auszuschließen.
Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Es mag im Sommer wieder zu sinkenden Fallzahlen kommen, aber im nächsten Herbst können wieder sehr viele Erkrankungen drohen. Mit Das jedoch können und wollen wir weder den im Gesundheitssystem Arbeitenden, aber auch nicht den von Einschränkungen betroffenen Wirtschaftszweigen einen weiteren Winter zumuten. Letztlich auch nicht den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, die staatliche Unterstützungsmaßnahmen schlussendlich finanzieren müssen.
Deswegen lautet eine klare Botschaft: Wir müssen uns mit einer deutlich höheren Grundimmunisierung fit für den nächsten Winter machen, das sehe ich nach langen Phasen der Freiwilligkeit nur mit einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren als möglich an.
Auch im Bereich der Wirtschafts- und Energiepolitik sind in dieser Woche wichtige Beschlüsse gefasst worden, vor allem um die stark steigenden Energiepreise für die Verbraucher:innen, aber auch die Unternehmen, abzufangen: So haben wir in dieser Woche beschlossen, auf Grund der stark gestiegenen Energiepreise den schon beschlossenen Heizkostenzuschuss noch mal zu erhöhen: Wohngeldempfänger sowie viele Studierende und Auszubildende bekommen im Sommer einen doppelt so hohen Zuschuss zu den Heizkosten wie bisher geplant. Der einmalige Zuschuss beträgt für Wohngeldempfänger 270 Euro und für Studierende 230 Euro.
Bislang zahlen Verbraucherinnen und Verbraucher pro Kilowattstunde einen Zuschlag für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Rund 40 Prozent des Strompreises machen Steuern, Abgaben und Umlagen aus, davon entfallen rund 11 Prozent auf die EEG-Umlage.
Um hier schnell Entlastung zu schaffen, haben wir in dieser Woche beschlossen, die Absenkung der EEG-Umlage von 3,723 Cent/kWh auf null zur Jahresmitte 2022 vorzuziehen. Um Transparenz zu schaffen, werden Stromlieferanten dazu verpflichtet, den Betrag, um den sich die Stromrechnung durch die gesenkte EEG-Umlage verringert, in der nächsten Rechnung extra auszuweisen.
Zudem soll die Fahrtkostenpauschale rückwirkend zum 1. Januar 2022 für Pendler:innen auf 38 Cent ab dem 21. Kilometer erhöht werden. Das hilft insbesondere den vielen Fernpendlern in unserer Region.
Der Bundeswirtschaftsminister hat auch angekündigt, über das Kartellamt den Mineralölkonzernen auf die Finger zu sehen, denn die Preise an den Zapfsäulen sind weiter viel zu hoch, obwohl die Rohölpreise schon wieder deutlich gesunken sind. Schon diese Ankündigung Habecks hat dazu geführt, dass die Zapfsäulen-Preise schon wieder leicht gesunken sind. Vor diesem Hintergrund bin ich auch dagegen, wie von der CDU/CSU gefordert, einfach Mineralölsteuer und die Mehrwertsteuer für Benzin und Diesel abzusenken. Wir machen keine Gesetze, die gegebenenfalls in vier Wochen wieder überholt sein können.
Zudem haben wir in dieser Woche beschlossen, die Betreiber von Gasspeichern künftig an festgelegten Stichtagen im Jahr zu bestimmten Mindestfüllständen zu verpflichten: Zum 1. August 65 Prozent, zum 1. Oktober 80 Prozent und zum 1. Dezember 90 Prozent.
Hintergrund ist, dass Deutschland mit rund 24 Milliarden Kubikmetern zwar über das größte Erdgasspeichervolumen in der EU verfügt, aber die Gasspeicher dennoch einen historischen Tiefstand verzeichnen. Mit der Folge, dass der Gaspreis in den letzten Monaten deutlich gestiegen ist.
Zudem wird es eine Arbeitsgruppe zu einem „Entlastungspaket Energiepreise“ geben. Hier wollen wir in der Koalition im Laufe der nächsten Woche zu Ergebnissen kommen. Ziel der SPD-Bundestagsfraktion ist es, keine populistischen Schnellschüsse zu beschließen, sondern ein sozial, ökologisch und ökonomisch ausgewogenes Paket zu schnüren Nächte Woche ist wieder eine Sitzungswoche, über deren Ergebnisse ich Euch dann auch gerne informieren werde und dann sehen wir uns wieder im Wahlkreis!
Herzliche Grüße!
Euer Joe
Dr. Joe Weingarten, MdB