Berlin, den 2. März 2022
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir alle werden von einem Ereignis umgetrieben, dass zu allergrößten Sorgen Anlass gibt: Putins russische Regierung hat einen Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet. Um hier ganz klar zu sein: Diese Entwicklung ist dem russischen Präsidenten und der von ihm abhängigen Regierung ganz persönlich zuzuschreiben, sie stellt eine Zäsur in der internationalen Politik dar, wie wir sie seit dem Zerfall der Sowjetunion nicht hatten. Die Sondersitzung des Deutschen Bundestages am vergangenen Sonntag hat gezeigt: In der Verurteilung dieses Handels sind wir politisch in Koalition und Opposition im Deutschen Bundestag einig. Das ist ein gutes Zeichen.
Und ich bin allen hoch dankbar, die sich an Demonstrationen und Mahnwachen beteiligen, die Initiativen zur Unterstützung von Geflüchteten helfen oder sich sogar direkt beim Transport von Material an die Grenze der Ukraine beteiligen. Das ist ein bewundernswertes Zeichen der Solidarität und der Hilfe für das angegriffene Land.
Was die Hilfen für Menschen in der Ukraine angeht, habe ich jedoch eine Bitte an Euch: Seht von selbst organisierten Sachspendentransporten in die Kriegsregion ab. Es gibt dafür keine sicheren Korridore und es blockiert die eh schon verstopften Transportwege. Bitte vertraut daher den großen, vertrauensvollen Hilfsorganisationen Eure Geld- und Sachspenden an. Hilfreich sind hier vor allem Medikamente, Konserven, Babynahrung und warme Kleidung. Putin ist mit seinen Panzern über die Grenze der Ukraine hinweggewalzt und hat damit die Nachkriegs-Friedensordnung in Europa zerstört. Der russische Angriff auf die Ukraine steht in der miesesten Tradition der sowjetischen Besetzungen der Tschechoslowakei 1968 oder Afghanistans 1979. Putin tritt das Völkerrecht mit Füßen. Der Angriff Putins auf die Ukraine markiert eine tiefe Zäsur in der europäischen Geschichte. Es handelt sich hier um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.
Unser Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich sagt zurecht: Der russische Präsident ist ein Kriegsverbrecher.
Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass Putin nicht für ganz Russland spricht. Es gibt Kritik und Opposition gegen seine Politik, die müssen wir stärken. Wir dürfen die in den
letzten Jahren entstandenen zivilgesellschaftlichen Brücken nicht vollständig abbrechen: Gerade in den Jungendaustausch und in die Kulturpolitik müssen wir jetzt noch mehrinvestieren. Die Idee der Demokratie ist stärker als die russische Polizeirepression.
Wir können als einzelnes Land oder innerhalb der NATO Russland jetzt nicht militärisch aufhalten, weil die Gefahr einer unabsehbaren Gewaltspirale gewaltig wäre. Auch wenn das nur schwer auszuhalten ist, angesichts der grausamen Bilder aus der Ukraine.
Aber der wirtschaftliche und politische Druck, den der Westen aufbauen kann, ist enorm und das müssen wir weiter tun. Die drei Sanktionspakete, insbesondere die Maßnahmen gegen die russischen Banken und Finanzierungssysteme zeigen auch Wirkung: der russische Rubel bricht zusammen, russische Wirtschaftsführer werden isoliert und Putins finanzielle Reserven schwinden. Das wird auch bald auf das Leben vieler Russinnen und Russen gravierende Auswirkungen haben.
Russland muss zu einem Kurs des Friedens und des Respekts vor anderen Ländern zurückkehren – oder wir müssen Russland genauso wirtschaftlich an den Rand des Ruins bringen, wie das mit der Sowjetunion gelungen ist. Das bedeutet aber auch – und das wird erhebliche wirtschaftliche Verwerfungen mit sich bringen – dass wir uns von Rohstoff- und Energieimporten aus Russland weitgehend unabhängig machen müssen.
Das bedeutet konkret, dass wir unsere strategischen Kohle- und Gasreserven ausweiten, denn die Versorgungssicherheit muss im Krisen- und Konfliktfall gewährleistet sein. Durch massive Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien werden wir auch langfristig unabhängiger von Energieimporten.
Ergänzend hat die Bundesregierung sehr klare Konsequenzen auch für die Zukunft unserer Verteidigung gezogen; Olaf Scholz hat sich auf die Lehren aus den Zeiten von Willy Brandt und Helmut Schmidt zurückbesonnen: Diplomatie kann nur aus einer Position der Stärke erfolgreich sein. Nach 30 Jahren Friedensdividende seit dem Ende des Kalten Kriegs müssen wir uns deshalb ehrlich machen: Wir waren militärisch und politisch nicht stark genug, um den russischen Angriff auf die Ukraine zu verhindern. Das darf uns nie wieder passieren.
Mit großer Ernsthaftigkeit haben wir deshalb in einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages am Sonntag beschlossen, wie wir uns den Herausforderungen, die mit einer solchen Zeitenwende einhergehen, stellen wollen. Die Frage war ja klar: Werden wir es Putin gestatten, die Uhren in die Zeit der Großmächte des 19. Jahrhunderts zurückzudrehen oder bringen wir die Kraft auf, Kriegstreibern wie ihm Grenzen zu setzen? Der Deutsche Bundestag hat dazu – bis auf die Extremisten von AfD und Linken – klar nein gesagt!
Ein von allen demokratischen Fraktionen getragener Entschließungsantrag bringt unsere Entschlossenheit zum Ausdruck, ein freies und offenes, gerechtes und friedliches Europa zu verteidigen. Doch demonstrative Entschlossenheit reicht nicht aus: Wir müssen handeln.
Deshalb werden wir ein Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr einrichten. Das ist das stärkste Signal für die deutschen Streitkräfte seit Gründung der Bundesrepublik. Das von der Bundeswehr dringend benötigte Geld ermöglicht die dauerhafte Modernisierung zentraler Waffensysteme unserer Parlamentsarmee. Die jahrzehntelange Unterfinanzierung der Bundeswehr wird hierdurch ausgeglichen. Das sehen die Menschen auch: ich bin sehr beeindruckt davon, dass nach Umfragen 78 % der Menschen in Deutschland hinter diesem Ziel stehen.
Damit einhergehend muss sich auch die Struktur der Bundeswehr verändern: weniger Bürokratie, weniger Verwaltungen, Stäbe und Sonderaufgaben – dafür mehr Kampftruppe. So wird die Durchsetzungsfähigkeit der deutschen Streitkräfte gesteigert und die Abschreckung als Teil der NATO gegen die russische Armee erhöht. Wir werden kampffähiger werden, wollen in der Lage sein, einen militärischen Gegner, der uns angreift, auch militärisch zu schlagen. In dem absoluten Willen, es nie tun zu müssen.
Wir stehen zu unseren NATO-Verbündeten, gerade nach diesem schwarzen Tag in der europäischen Geschichte. Unmittelbar notwendig ist eine Stärkung der NATO-Verbündeten in Osteuropa und im Baltikum. Auch mit Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Das wird kontinuierlich zunehmen, die 350 Soldatinnen und Soldaten, die jetzt nach Litauen gehen, sind da nur ein kleiner Teil dessen, was kommen wird.
Wir arbeiten daran, dieses Land und unsere Bündnisse sicher vor Despoten und Aggressoren zu machen. Olaf Scholz zeigt Führung in der Krise und macht Deutschland, Europa und die NATO zukunftssicher. Wir werden das freie, friedliebende Europa immer verteidigen.
Als Mitglied des Verteidigungsausschusses bin ich an all diesen Diskussionen und Entwicklungen in vielfacher Weise beteiligt. Ich weiß, dass bei Euch persönlich und in den SPD-Gliederungen ein großer Diskussions- und Gesprächsbedarf zum Thema Ukraine und zur Zukunft unserer Verteidigung besteht. Gerne komme ich zu Euch in die Ortsvereine und spreche mit Euch ausführlicher über dieses wichtige Thema, als das jetzt im Rahmen eines Berichtes möglich ist. Sprecht mich gerne dazu an!
Herzliche Grüße!
Euer Joe
Dr. Joe Weingarten, MdB